Ushiwaraji

Ushiwaraji - Portrait

Schaut mich an, bin ich nicht hübsch?
Ich bin schwarz wie die Nacht und wie es sich unsere Chefkuh gewünscht hat ein Bub durch und durch. Meine Mama ist die Hedda und ich bin am 19.8.2016 als ihr erstes Kalb auf die Welt gekommen. Mittags hat mich unsere Chefkuh im Futtergang gefunden. Sie hatte zwar eine Ahnung wie das passieren konnte, noch wußte sie aber nicht was das für die nächsten Monate bedeuten würde. Meine Mama hat nach mir getreten und geschlagen und hatte überhaupt keinen Bock mich an ihr Euter zu lassen. Nein, eine richtige Ausrede gab es nicht, weder war es wund noch schmerzhaft geschwollen, die Chefkuh durfte problemlos melken. Nur wenn ich gekommen bin hat meine Mama das meutern angefangen. Hab ich mich hingelegt, hat sie mich sofort betreut und abgelutscht, aber wehe wenn ich aufgestanden bin... aber ich hab doch auch Hunger!

Ushiwaraji und Hedda

Da, seht her, solange ich liege haben wir das schönste Familienleben. Damit ich wenigstens ein bißchen Milch erwische hat sich die Chefkuh am Anfang dazugestellt und die Mama angehängt. Ich hab in meiner Verzweiflung mein Glück auch bei der Oma (der Hanna) probiert; die war zwar freundlich und geduldig, hatte aber keine Milch mehr für mich. Meine Mama hat dann quasi 3 Monate in Anbindehaltung gelebt und in der Zeit 2 Fußfesseln zerrissen. Ich hab diverse blaue Flecken davon getragen, bin auch immer wieder mal quer durch die Box geflogen wenn ich zu unvorsichtig war, aber alles in allem haben wir uns zusammengerauft. Am besten konnte ich von hinten saufen, der Trick hat noch am ehesten funktioniert.

meine Nachgeburt wird ausgerauft

Hier hab ich noch ein Bild von gleich nach meiner Geburt, wie sich Mama und Oma um die Nachgeburt raufen. Ich bin im Hintergrund zu sehen, weiß noch gar nicht recht was ich von dieser Welt halten soll. Die Mama und ich haben dann in unsere Box noch 2 weitere Mitbewohner bekommen, den Bill und den Pankratz. Die beiden sind ein bißchen älter wie ich und wir haben einen richtigen Kindergarten aufgemacht. Das war ein Toben. So nach einem viertel Jahr hab ich der Chefkuh gezeigt, daß ich mit ein paar Tricks ganz gut an meine Milchbar komme. Ich hab zum Beispiel gewartet bis die Mama selber gefressen hat und mich dann vorsichtig angepirscht. Außerdem hab ich fleißig beim Bill und beim Pankratz mitgenascht und bin in der kurzen Zeit ganz schön groß geworden. Also hat die Chefkuh die Mama wieder laufen lasssen - das war keine gute Idee, weil die sofort auf meine beiden Freunde losgegangen ist. Himmel, warum muß auch ausgerechnet ich so eine Mama haben? Wir sind dann bei der Oma eingezogen, die mußte ihre Box jetzt mit uns teilen. War aber nicht schlimm, weil die gleich daneben war und ich zumindest Nasenkontakt halten konnte mit meinen Freunden.

Wir, der Kindergarten, beim Fressen

Was Ushiwaraji heißt? Das ist die Bezeichnung für die japanischen Reisstroh-Sandalen für die Rinder. Das ist das einzige japanische Wort das die Chefkuh kennt. Prompt hatte ich meinen Namen weg als 3/4 Wagyu-Rind. Der Bill, der Pankratz und meine Wenigkeit sind immer beisammen. Gemeinsam hecken wir die wildesten Streiche aus. Hier seht Ihr uns beim Fressen aufgereiht wie die Orgelpfeifen.

meine Ma, die Hedda, betreut den Kindergarten

Hier sind wir auf der Weide. Meine Ma, die Hedda, wurde abgestellt auf uns aufzupassen. Als wenn wir das nötig hätten, wo wir doch schon so groß sind. Aber so ist es halt, eine von den Großen hat die Aufsicht.

ich folge unauffällig damit ich sehen kann was die Hedda frißt

Das mit dem Weide gehen klappt schon gut. Ich lauf am liebsten mit meiner Ma zusammen, da kann ich beobachten was sie alles so frißt und die Milchbar ist auch nicht weit. Nur der Elektrozaun setzt uns Grenzen, den kann ich aber gut sehen.

das ist aber komisches weißes Zeug hier überall, gestern war's noch nicht da


Ja verreck, alles ist weiß! Gestern war die Welt noch in Ordnung, heute liegt so kaltes, weißes Zeug überall rum. Das Gras versteckt sich darunter und ich muß es ausgraben. Da hab ich dann das weiße Zeug an der Nase und im Gesicht. Die Älteren sagen das vergeht auch wieder und nennen es "Schnee". Hoffentlich haben sie recht.

selbst im Auslauf steht das Gras jetzt hoch, hinter mir der Pankratz und der große Hintern ist meine Ma, die Hedda

April ist es, anno 2017 und die Goßen hatten recht, der Schnee ist schon lange wieder weg und jetzt steht sogar im Auslauf das Gras kniehoch. Müssen wir kurzhalten, also auf geht's! Hier seht Ihr mich, den Pankratz und die Hedda bei der Arbeit.

Da steh ich nun und alles ist fremd ...

Denkt Euch ein Jahr weiter, es ist Juli 2017. Unsere Chefkuh hat mich im Anhänger ziemlich lang durch die Gegend geschunkelt und nach schier endloser Kurvenfahrt hat sie mich wieder rausgelassen. Stellt Euch vor wie überrascht ich war: alles ist ganz anders, alles ist fremd. Ich kenn die anderen Rinder nicht und ich soll hierbleiben? Neeeiin, das geht ja gar nicht. Ob in dem Eimer Karotten sind? Oder Äpfel?

ich rufe laut, aber die Mama kommt nicht ...

Wenn ich nach meiner Mama ruf, meldet die sich auch nicht mehr. Schön ist es hier schon: hübsche Mitbewohner, alle genauso schwarz wie ich und viel Auslauf, viel mehr wie daheim. Doch, ich hab jemanden entdeckt den ich schon kenn; die Frieda! Yippee, ein bekanntes Gesicht und eine Stimme die ich schon mal gehört hab, da gehts mir gleich besser. Und ein volles Euter hab ich auch entdeckt, prima, da kann ich naschen... Darf mich bloß nicht erwischen lassen!

schaut nur wie überbaut ich bin!

Mittlerweile ist August und mir gefällt es hier richtig gut. Hab ein paar liebe Freunde kennengelernt und genieße die verschiedenen Etagen unserer Weide. Ein bißchen Buschwerk und Bäume die Schatten spenden, hier läßt es sich aushalten. Und seht her wie ich gewachsen bin, hinten so sehr überbaut, daß ich viel Fressen muß um das vorn auszugleichen. Ich hab inzwischen gelernt, daß man Äpfel auch vom Boden fressen kann und nicht nur aus der Hand. Ich bin ja sooo glücklich, weil es hier vier andere Kälber hat, die ich vom Futter wegjagen kann. Die schlechte Nachricht: es gibt elf große Rinder, die mich vom Futter verjagen. ;-(

Winter ist und ich hab mich vom rechten Hornschuh befreit, aua!

Mittlerweile ist Januar 2018. Weil draußen Matschwetter ist müssen wir herin bleiben, das ist doof, so angehängt. Aber vielleicht ist das ganz gut so, weil neulich lag Schnee und wir durften ausnahmsweise raus in die Sonne. Da ging natürlich die Post ab! Wir sind die erste Viertelstunde gerannt und gesprungen wie blöd, dann ging uns die Puste aus und wir haben nur noch gerauft. Noch eine Viertelstunde später war Ruhe. Richtig Ruhe. So Ruhe, daß die Frieda glatt mal nachgeschaut hat was wir treiben. Bloß - wir waren nicht mehr da  ;-) . Wir waren ausgebüchst durch den Zaun, der beim Kämpfen leider und selbstverständlich versehentlich kaputt gegangen ist. Da war es schon zu spät und überall war Blut rumgetropft. Die Frieda ist dann der roten Spur gefolgt sodaß wir recht schnell gefunden waren. Beim Anbinden hat sie entdeckt, daß ich das Blutbad verursacht habe. Beim Raufen hab ich einen Hornschuh verloren. Sie hat mir einen dollen Verband drauf gemacht und gesagt, daß ich jetzt richtig dazu gehör. Anscheinend ist das so bei echten Wagyus, weil hier gibt es bloß 2 Tiere die älter als ein Jahr sind, denen das noch nicht passiert ist. Mei, wenn doch das Raufen so viel Spaß macht!

Das werden die letzten Bilder, die ich Euch aus der Ferne schicken kann. Groß und stattlich bin ich geworden. Es ist November 2019 und weil das Gras auf der Weide nicht mehr so üppig nachwächst kontolliere ich den Komposthaufen. Da läßt sich immer was entdecken. Und hab ich's nicht gesagt? Ein delikatesses, frisch ausgetriebenes Bündel Gras kann ich ergattern und brauch mich noch nicht mal bücken. Da rentiert es sich bis zu den Knien im weichen Kompost zu stehen.