Legend's Hanami
Da ist es, mein erstes richtiges Bild, die Idealvorstellung eines Kälberlebens! Dickes, fettes, kniehohes, grünes Gras (von dem ich noch gar nicht so viel habe und meine Mama, die Hanna, kriegt immer Klauenrehe davon) und ein dolles Euter voller süßer, warmer Biestmilch; das ganze selbstverständlich in herrlichem Sonnenschein! Ich bin schon eine Woche alt (geboren am 1. Mai 2023) und treffe heute das erste Mal unsere Chefkuh. Wie immer hat sie das passend hingekriegt, daß die Frieda auf meine Geburt aufpassen mußte, weil sie selber in der Toskana ist. Frieda find ich gut, die läßt mir viel Spielraum und den nutz ich dicke aus. Ich geh auch auf die Weide wenn alle anderen noch im Stall sind, Hauptsache der Kettenverschluß an unserer Boxentür läßt mich durch. Mein Pa ist der Enduro aber den kennt Ihr schon von meinen Vollgeschwistern, der Helen und dem Ulli.
Wie ich schon erwähnt hab, mach ich mich auch ganz allein vom Acker. Wenn das große Scheunentor zu ist, kletter ich einfach durch die Stangen der anderen Box gegenüber und schon bin ich draußen. Hab ich Euch schon erzählt was mein Name bedeutet? Also der kommt aus Japan und deswegen hat ihn die Frieda für mich ausgesucht. Er bedeutet so viel wie "Kirschblüte". Ich finde das passt nicht nur hervorragend zur jetzigen Jahreszeit sondern auch zu mir. So was romantisches, schön!
Jetzt bin ich schon 2 Wochen alt und hab jede Menge gesehen. Wenn ich die anderen beobachte, sehe ich wie der Hase läuft und wenn ich dann mit raus darf ist das einfach nur herrlich!
Ich krieg sie einfach nicht runter, diese gelb leuchtenden Ohrmarken. Meine Tante, die Hedda, hat mir zwar genau erklärt wie ich das machen muß, aber außer daß ich mittlerweile gut und stabil dreibeinig stehen kann hat es mich nicht weiter gebracht. Vielleicht brauch ich diese Kunst ja mal in meinem späteren Leben. Schütteln hilft auch nix, hab ich schon durch, macht bloß schwindelig. Die anderen winken ab und sagen, wenn es Probleme gibt, macht die Chefkuh die Ohrmarken eh raus.
Schaut nur den großen Berg Heu an. Bis heute abends ist nix mehr übrig davon. Da helfen dann aber auch die Hedda und der Ulli mit. Und ich kann mich zum Mittagschlaf darin einwickeln. Das ist herrlich, solltet Ihr auch mal versuchen. Ich leg mich immer mitten rein, dann wissen die anderen der Berg ist nur für mich. Außerdem duftet es herrlich und ich kann meiner Ma zusehen, wie sie das mit dem Heu fressen macht. Ist gar nicht so einfach, das dürre Zeug zusammen zu falten mit der Zunge so daß man es mit einem Bissen gut runterschlucken kann.
Und ich? Ich kau und kau auf diesem dicken Stengel, bis daß er alle ist, oder kürzer, oder es klaut ihn mir mal wieder meine Ma aus dem Maul. Die steht auf lange, harte Stengel, ist Spezialistin für Sauerampfer. Aber jetzt so mit 2 Wochen krieg ich das mit dem Heu schon ganz schön hin. Auch der eine oder andere Grashalm landet in meinem Bauch, trotzdem ist die Weide hauptsächlich zum Rumrennen und Welt erkunden da.
Ja da schau her, die Tante Hedda kann auch liebevoll sein! Was für eine angenehme Überraschung fremdgepflegt zu werden. Ihre Zunge ist genauso rauh wie die von meiner Ma, aber sie leckt vorsichtiger, wie Tanten halt so sind.
Das mit dem Heu und drin schlafen, das machen alle hier so. Jeder versucht den größten Berg zu erwischen. Hier hab ich mich einfach beim Ulli dazu gemogelt. Das ist zwar ein Haufen frisches Stroh, tut's aber auch im Notfall. Ganz ernst nimmt er mich nicht und da kann ich eine Ecke von seiner weichen Liegestatt mit nutzen.
Mittlerweile ist Juli geworden, Juli 2023. Ich hab ein grünes Halfter bekommen, damit fangen hier alle Kälber im Kindergarten an. Mein Kopf passt grad so, die Schnallen sitzen im kleinsten Loch. Bin schon gespannt wie es in der Schule zugehen wird. Die Großen können schon ganz schön was, da will ich einmal mitmachen und sie haben mir versprochen, langweilig wird es sicher nicht.
Seit die Hühner im Stall sind geht's rund. Grad stehen sie in der Ecke, da kann ich sie viel leichter zählen. Sonst laufen sie alleweil gackernd durcheinander, jetzt sind es 1, 2, 3, Moment, 4, 5,...ey, da fehlen ja noch welche! Wo sind die denn nun schon wieder abgeblieben?
Im Dezember 2023 fällt an zwei Tagen haufenweise Schnee. Für mich war das ein echtes Abenteuer, noch nie zuvor hatte ich Schnee erlebt. Weiß, kalt, schmeckt wie Wasser, zergeht auf der Zunge und man kann herrlich raufen damit. Kopf reinstecken und die Hörner aufwerfen. Toll! Leider war er genauso schnell weggeschmolzen wie er da war. Das sollte man mal im Sommer machen, wenn es so warm ist...
Wir haben Februar 2024 und ich bin in die Grundschule gekommen. Meine Ma hilft bei der Ausbildung, wir wollen ganz hinter auf dem Grundstück, über die Brücke am Biberbach zu der Stelle wo einmal eine Forellenzucht war. Noch trag ich das Halfter aus dem Kindergarten, aber wie ihr sehen könnt ist es schon recht eng. Nächstens krieg ich ein größeres, da freu ich mich schon drauf.
Schaut so aus als wenn ich grasen würde. Aber kuckt mal ganz genau hin, in Wirklichkeit beobachte ich was die Chefkuh mit der Kamera in der Hand treibt. Als Tochter der herdenobersten Kuh muß ich das üben, denn der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Meine Ma ist immer in Hab-Acht-Stellung während die anderen sich nichts scheren. Naja, der Bill vielleicht noch, der hebt auch mal den Kopf und prüft was los it.
So eine Gemeinheit! Da fressen diese Hühner glatt meinen Mais! Ey, moment mal, das ist doch meine Abendessen! Wenn ich jetzt mein Recht durchsetzen will, lauf ich Gefahr, daß mich die Dinosaurier-Nachfahren einfach in die Nase picken. Aua... Die andere Alternative ist noch schlechter, nix tun bedeutet, der leckere Mais für den ich extra von der Weide reingekommen bin verschwindet in den Hühnerschnäbeln. Das ist ein Gekratze und Gescharre, daß die Körner grad so durch die Gegend fliegen. Vielleicht sollte ich mal mit meinen Hörnern wackeln? Manchmal hilft das, zumindest die Menschen gehen dann einen Schritt zurück.
Auf unserer "Baumweide" im üppig hohen Gras. Ich liebe sie, diese alten, riesengroßen Bäume, soviel Behaglichkeit wie die ausstrahlen und Schatten spenden sie auch und Schutz wenn es regnet. Bei Unwettern will uns die Chefkuh aber partout nicht hier haben. Alle Bäume haben Blitzmarken, das gefällt ihr gar nicht. Da müssen wir immer in den Stall. Manchmal fällt auch ein großer, abgestorbener Ast runter, sind halt schon betagt, die Bäume. Aber man kann herrlich an ihnen schubbern wenn es irgendwo juckt!
Schaut so aus als würde ich im hohen Gras meine Kontaktlinsen suchen. Vergesst es, aber ganz unten drin, versteckt zwischen den langen Halmen, wachsen manchmal die interessantesten Kräutlein. Neben mir, das ist der Heinrich, der schaut ob ich was entdeckt habe, irgend etwas, damit es sich rentiert auch tiefer zu graben.
Könnt Ihr mich sehen? Ich seh nämlich grad fast gar nix! Da will mir die Chefkuh was Gutes tun, weil uns in den letzten Tagen bei unseren Ausflügen die Bremsen sozusagen bei lebendigem Leib gefressen haben, und was passiert? Der Fliegenschutz den sie mitgebracht hat ist mir noch viel zu groß, die Fransen landen statt der Karotte in meinem Maul und die Sicht ist schwer beeinträchtigt. Ich hab allerdings sofort gelernt, wenn ich ernsthaft mit dem Kopf nicke, schnalzt das Teil nach hinten über die Hörner. Da kann ich zwar wieder kucken, aber die Bremsen haben auch wieder freien Anflug. So wie ich unsere Chefkuh kenne, wird sie sich was einfallen lassen.
...und das kommt dann beim Brainstorming raus. Fashion für fesche Kalbinnen. Das Beste ist, es hat jetzt wesentlich weniger Bremsen die mich piesacken! Vor allem die großen, fetten Pferdebremsen sind ein Graus - gewesen.