Charly Bonifaz
Tja, was soll ich sagen?
Ich bin hier der Senior in der Meute. In meiner Ausbildung hab ich nicht viel ausgelassen, hab auch ein paar Sachen gelernt, die es nicht gebraucht hätte. Zur Zeit lebe ich ein recht gemütliches, beschauliches Leben, weil die Hauptarbeit dem Nachwuchs gilt.
Ich hab den halbsten Gang erfunden, in der Tat kann ich so langsam laufen, daß ich als Gurkenflieger arbeiten könnte. Ich bin ein ehr ängstlicher Typ, das muß man wissen und verstehen, weil ich in einer Situation die ich nicht recht einschätzen kann auch schon mal kritisch reagiere. Am besten komm ich mit der Chefkuh zurecht, für die mach ich (fast) alles - äh, meistens. Die kenn ich aber auch schon von klein an, der vertrau ich; nur wenn sie mal wieder eine Blutprobe von mir will, zeig ich ihr deutlich, wie wenig mich das freut.
Geboren wurde ich am 8.7.2006 und die Chefkuh hat, als sie mich gesehen hat, den witzelnden Landwirt sofort beim Wort genommen und mich vom Fleck weg gekauft. Man muß wissen, da hatte sie schon jahrelang versucht Texas Longhorn Sperma zu importieren. Nichts geht über deutsche Gründlichkeit in der Bürokratie, sonst gäb es mich jetzt hier nicht.
Also schau ich bei uns nach dem Rechten, prüf hin und wieder ob meine Verführungskünste noch funktionieren und ein paar Streicheleinheiten rausspringen, achte auf meine schlanke Linie, denn der Bauch muß durch die schmale Boxentür passen und fahre ab und an zum Max nach Zustorf, da ziehen wir dann gemeinsam was ab. Ich laß es mir gut gehen ...
Groß geworden bin ich auf einer Farm mit Fjord Pferden und weil meine Chefkuh keine Ahnung von der Materie hatte hat sie mich wie einen Traber, ja Ihr lest richtig, wie einen Traber angelernt. Dabei geht das doch mit uns Rindern ganz anders! Naja, auch sonst mußte ich ihr noch viel beibringen, hatte sie doch eigentlich gedacht nach jahrzehnte langem Umgang mit Rinder wüßte sie alles über uns. Den Zahn hab ich Ihr schnell gezogen...
Hier seht Ihr mich auf der Löwenzahnwiese. Als Kalb lernen wir ja alles von unserer Ma. Ich bin aber ohne Mama aufgewachsen und hatte bis dato nur Heu gefressen. Stellen mich die Zweibeiner doch glatt auf eine Wiese und erwarten, daß ich weiß was zu tun sei. Ich hab mich ziemlich geplagt bis ich raushatte wie man Gras fressen muß, einfach nur ziehen wie beim Heu funktioniert nicht. Da braucht es schon mehr. Die Chefkuh hat mir immer wieder goldene Löwenzahnblüten ins Maul geschoben, letztendlich hab ich dann kapiert, daß man die auch fressen kann. Ich trau mich gar nicht erzählen, daß ich danach nur gelbe Blumen gefressen hab. Erst später hab ich mich auch an bunte Blumen getraut.
Wie Ihr sehen könnt haben wir viel Spaß zusammen mit krummen Ideen, der Ball war mein Lieblingsspielzeug bis ihn der Wind geholt hat. Das schwere Tränkebecken aus Beton war mein bevorzugter Sparringspartner nachdem ich alle Eimer über den Haufen geschoben hatte. Das dient immer noch, jetzt als Salzlecke, aber auch zum Schubsen üben. Das stärkt die Halsmuskulatur. Vier Wochen später zu meinem ersten Geburtstag hab ich eine große Schüssel mit Waldmeistergelee bekommen, der Glibber war im Nu zusammen geschleckt. Lecker!
Tja, und dann bin ich gewachsen, immer weiter. Die Chefkuh wollte einen großen Ochsen, den Wunsch hab ich ihr erfüllt. Jedes Vierteljahr mußte der Bauchgurt verlängert werden, wir waren Dauergast bei einer geduldigen Sattlerin. Wir haben aber auch alle Anspannungsarten ausprobiert und durchkombiniert, immer auf der Suche nach der besten Lösung.
Hier hab ich mein Winterfell an und wir sind auf dem Sprung nach draußen mit DRGM-Stirnjoch, Ausbildungsgurt und Satteltaschen. Deren Bauchgurt reicht eben noch aus für meine zarte Taille...
Heute mit 3Polster-Kumt und viel Bock auf frisches Grün. Während die Chefkuh in der Sonne sitzt und Pause macht, schlag ich mir den Bauch voll. Wir sind über die Fußgängerbrücke am Semptkanal gegangen, das wird langsam knapp, gewichtsmäßig. Nein, nicht wegen mir, selbstverständlich nur wegen der Chefkuh. Ich hab inzwischen auch gelernt mit einem Widerristjoch im Wald zu arbeiten. Im Januar haben wir Holz gerückt, dabei ist das Widerristjoch gebrochen, also hat die Chefkuh das Stirnjoch vom Wagen geholt. Ich hab die Zeit genutzt und die Leinen durchgekaut. Damit war mein Arbeitstag beendet.
Hier die Anprobe von meinem nagelneuen Westernsattel, ein tolles Teil. An dem Tag hat es ausgeschaut als wenn er fast zu groß wär, aber ich bin ja noch gewachsen. Das gute Stück hat im Endeffekt 4 verschiedene Sattelgurte gebraucht!
Es ist Mai und wir sind an meinem Lieblingsplatz am Semptkanal. Hab ich Euch schon erzählt daß ich für mein Leben gern Bier sauf? Leider keine bayrische Marke, sagt die Chefkuh, vermarktungstechnisch ungeschickt. Egal, ich sauf nur aus der Flasche und mag keine Noagerl (für Nichtbayern: Reste von Bier). Bäh, das spuk ich wieder aus. War mal der Bayrische Rundfunk da, die wollten das filmen, also haben wir ein Tragerl Bier mitgenommen zu den Semptwiesen. Immer war was falsch und sie brauchten eine Wiederholung, mal ein Flieger, oder eine Polizeisirene, oder die Sonne war weg. Telefonisch haben wir noch einen Kasten Bier bei unserem Landwirt bestellen müssen. Ich hatte danach einen ziemlichen Rausch und Mühe nach Hause zu kommen.
Den hübschen Gig haben wir von den Pferden ausgeliehen, immer wieder was Neues. Langweilig wird es uns nie. Ich schau mir das Teil noch genau an bevor wir losfahren. Aber ich hab auch alle wieder heil nach Hause gebracht.
Eins unserer Gefährte ist ein altes, wieder hergerichtetes Gäuwagerl in grün. Das ist ein tolles Teil, hinten mit Gepäckraum wo man alles Notwendige mitnehmen kann. Perfekt für unsere Wanderfahrten. Grün, damit man die Wurmlöcher nicht so sieht und weil es dann hervorragend zu meinem Schmuckhalfter passt. Klar, will ich für besondere Anlässe auch mal schick aussehen!
Dann wäre da noch der Sulky. Hab ich schon erwähnt daß ich in die Traber Schule gegangen bin? Da braucht man so einen Trainings-Sulky aber auch sonst ist er gut zu gebrauchen. Hier haben wir einfach die Eggenfelder drauf gepackt und laufen zur Wiese am Kanal. Dort machen wir sie am Ortscheit fest und schon können wir damit arbeiten.
Wir, mein guter Freund der Max und ich, beim Kunstpflügen: immer krumm und schief aber das mit Hilfe von regelmäßig 3 Leuten. An einem schönen Sommertag hat der Max beschlossen, er verbringt die Zeit lieber mit seinen Kalbinnen als mit mir, schwitzend vorm Pflug; flugs hat er mir den ganzen Krempel vor die Füße geschmissen und ist zu seinen Mädels; wir haben alle ziemlich dumm gekuckt, weil sonst war er immer die Liebenswürdigkeit in Person.
Wir waren viel unterwegs, haben zur Abwechslung auch mal einen Baumstamm gezogen. Einmal war ich mit der Chefkuh entlang der Autobahn unterwegs, sieht uns ein telefonierender LKW-Fahrer, ist ihm doch glatt das Handy aus der Hand gefallen.
An Pfingsten im Mai 2010 haben wir einen Familienausflug mit unserem Mentor gemacht, das ist der Chef vom Max. Wir hatten mächtig zu ziehen mit der vollen Kutsche im schon hochgewachsenen Gras. Das Wetter war herrlich, sonnig warm aber nicht heiß, richtig Frühling eben.
Der Max war wohl an die 30cm länger wie ich und mindestens genauso groß. Weil er aber so viel länger war hat er sich beim Bremsen öfters mit seinem Hintern auf den Bock seiner Kutsche gesetzt. Das war ein kleiner Bock der nicht so recht zu dem Gefährt gepasst hat, die Zweibeiner mußten immer ihre Beine fest anziehen wenn sie dort saßen. Klar war der Überblick vorn besser aber hinten saß man sicherlich bequemer. Wir sind im Sommer häufig mit dem Teil in den Feldern und Wiesen unterwegs gewesen.
Heute will ich zum Leonhardi-Ritt nach Wartenberg. Es ist November 2010 und der Weg ist weit. Außerdem ist saukalt. Ich hab den Lastsattel mit Heu für mich bepackt und zur Feier des Tages ein Blümchen ans Revers, pardon 3Polster-Kumt, gesteckt. Einen letzten Schluck und dann geht's los...
Die Arbeit im Winter besteht manchmal aus Schneepflügen, manchmal aber auch nur übungshalber ein paar Baumstämme durch die Gegend ziehen wenn halt kein Schnee liegt. Schaut nicht so genau hin, hier dient das Ortscheit nur als Abstandshalter.
Die übliche Frühjahrsarbeit: Wiesen abziehen und dabei die Maulwurfshaufen plätten. Die Chefkuh macht's sich einfach und sitzt auf dem Sulky, der hier mal wieder als Vorderwagen fungiert. Die Arbeit ist schwerer als man meint, wer's nicht glaubt kann es ja mal selber versuchen. Außerdem ruckeln die Eggenfelder ziemlich, das ist ein ganz anderes Ziehen als das Gäuwagerl zum Beispiel auf der Straße. Hoffnungsvoller Blick nach hinten ob wir bald fertig sind...
Schade, mein Teampartner, der Max, hatte schon von klein an hinten Rollklauen und zum Schluß muß er wohl 1400kg gewogen haben, das haben seine Füße nicht mehr mitgemacht ... das war ein ganz ein lieber Kollege! Mit seiner Ruhe hat er mich oft gebremst, wenn ich wieder in einer engen Kurve die Hektik gekriegt hab weil der Baumstamm ins Rollen hätte kommen können. Weil er mit seinem Kopf auf dem Maissilo - Haufen geschlafen hat, waren in seinen Haaren auf der Stirn und hinter den Ohren immer noch Reste vom Mais, die ich dann rausgelutscht habe.
Ach, was haben wir doch für verrückte Geschichten erlebt... Er fehlt, der Max!
Im Februar 2013 fand bei uns das Treffen der "Arbeitsgruppe Zugrinder" statt. Wir schickten den Nachwuchs vor, Zeno und Hanna mußten das Gäuwagerl ziehen. Junge, waren da viele Leute da und unsere Chefkuh hat den Speicher geräumt und die meisten Kummete und Jochs runtergeholt und in der Scheune aufgehängt. Alle haben zusammengeholfen damit der Tag klappt. Und was soll ich sagen? Schön war's!
meine Galerie:
R.I.P. am 9.5.2014 um 10.00Uhr mit einer Semmel im Maul ...
Selbst posthum komm ich nicht zur Ruhe:
Irgend so ein Depp hat mein Originalphoto hier von der Seite geklaut und ein total falsches und schiaches Bild daraus gemacht, dazu noch Kuh drunter geschrieben, was für ein ahnungsloser Dimpfl. Jetzt geistere ich durch sämtliche online-Medien, Facebook , Twitter und so weiter ... Den wenn ich erwisch, den schieb ich noch im Albtraum mit Genuß über die Weide!