Ackerwagen, Mistwagen
22.August 2019
Der Bill hat die Gelegenheit genutzt und sich mal kräftig dran geschabbert, dann brach die rechte weg, er war aber offenbar immer noch juckig, also hat er an der anderen Seite weitergemacht, bis auch die nachgab; als ich es krachen hörte war das Malheur schon passiert und der Bill stand daneben mit einem bedröbbelten Gesicht.
Die Rungennasen hab ich mit Hilfe der Crew aus den Löchern am Vorderwagen entfernt (die Hanna hat mir liebevoll die Haare von der schweißnassen Stirn gekämmt und mit Spucke nach hinten geglättet, der Bill hat mit seiner Nase, die genau zwischen Rad und Vorderwagen paßt, immer wieder nachgeschaut ob ich auch wirklich jeden der alten, rostigen Nägel ausgegraben hab, der Festus hat derweilen meine Brille probiert, während die Hanuta entgeistert zugesehen hat wie die Chefkuh auf Knien vor dem Wagen rumrutscht).
Diese Nägel mit der Windung nennt man Drall-, Schraub-, oder Gewindenägel, sind nicht original, hat also schon mal jemand repariert. Für mich ist es jetzt eine Strafaufgabe sie auszugraben.
Mein Bauchgefühl sagt die Rungen können selbst nachgemacht werden, mein Hirn sagt aus Eschenholz; wir suchen nach passenden Kandidaten ... Eiche geht sicher auch, die alten sind wohl aus Eiche.
2 Tage später, wir überlegen noch, hat der Bill, nur damit es sich rentiert, hinten auch noch eine Runge geschreddert, wenn er so weitermacht brauch ich einen neuen Wagen.
Wir haben in der Scheune nachgeschaut und es wären Eschen- und Buchen-Borde da in der passenden Stärke. Welches ist holzwurmresistenter? Unmittelbar neben genauso alten Bauteilen wo sich vor Jahren schon der Holzwurm 'ne Villa gefressen hat sind völlig unbefallene Hölzer ...
Wir entscheiden uns für Esche, die Borde liegen wohl schon so 25 oder 30 Jahre herum, hat halt nie jemand gebraucht. Das obere Bord wird entsorgt und das darunter probegesägt um zu sehen ob es noch eine brauchbare Stelle hat; nun denn, ich kenn das bloß vom Zedernholz, daß man es anschneidet und unter einem Wust von Moos, Schnecken, Ameisen, Spinnen, Eiern von ??? kommt tolles Holz zum Vorschein. Ich säge also 10 cm vom Ende weg und gleich schaut es schon viel besser aus: nicht ein Wurmloch, nichts vermodert, und der Geruch - herrlich! Kaum zu glauben aber so ist es!
Mittlerweile sind 4 Rungen-Rohlinge entstanden (längs aus den Rändern dieses Bords) und wenn ich wieder mehr Zeit hab kann ich mich um deren Nasen kümmern ... die wollen mit einem 60° Winkel angeschrägt ausgeschnitten werden. Die Rungen sollen die Wagenwände ja schräg tragen.
Derweilen tut sich die nächste Baustelle auf, der hintere Achsstock ist gebrochen. Die Frakturlinie verläuft unter einer der Eisenklammern, ausgehend vom Rungenloch. Das ist sicher eine schwer beanspruchte Stelle, die Rungen stellen einen langen Hebel dar und das alte Holz ist morsch. Trotzdem ist der Wagen bislang ohne Auffälligkeiten gelaufen. Räusper - so ganz schnell sind wir ja nicht unterwegs. Aber Ersatzholz haben wir genug und ich arbeite mich Stück für Stück voran.
Bleibt also nichts anderes übrig als auch den Achsstock noch zu zerlegen. Ich lerne weiter. Sechs Eisenklammern halten das ganze Konstrukt zusammen. Es besteht aus einer eisernen Achse, darauf ein Balken, dann rechts und links Abstandshölzer (die sind übrigens leicht nach außen angeschrägt, damit sie nicht durch das ständige Wackeln in der Bewegung herausrutschen - und wurmlastig sind sie auch!), darauf ein zweiter Balken in dem letztendlich die Rungen stecken.
Die Abstandshalter werden gebraucht weil die schräg verlaufenden Langbäume hier den Achsstock durchqueren und die eiserne Kurbelbremse für die Hinterräder einen stabilen Ansatz in der Mitte des Achsstocks braucht. Der obere Balken weist Einkerbungen für die Eisenspangen auf, so können diese nicht verrutschen.
Ich lerne wie man die rechteckigen Löcher für die Nasen der Rungen in einem 60° Winkel ausstemmt, hier ist alles Handarbeit ... und es muß passen! Ohne allzuviel Spiel zu haben! Die Originalteile sind so hilfreich, daß ich sie vorsichtshalber aufhebe.
Der Achsstock wird mit den Langbäumen durch zwei hölzerne Dübel verbunden. Ich entscheide mich für Hartriegel. Da liegt noch ein Stecken herum, der nicht zu einem Uncino geworden ist. Aber für diesen Zweck ist es wohl ideal. Ich schnitze ihn passend und dann muß er durch den oberen Balken, den Langbaum auf jeder Seite und in den unteren Balken hinein. Was übersteht säge ich ab. Die Abstandshalter bekommen noch eine Aussparung für die Rungennasen, das kann aber Luft haben. Jetzt sieht die Sache schon viel besser aus.
Die beiden hinteren Rungen bekommen noch eine Einkerbung an der Außenseite etwa auf Höhe des Radreifens. Da läßt sich bei großen Lasten eine Kette oder ein Drahtseil gegen die Runge auf der anderen Wagenseite spannen und der Druck nach außen besser verteilen.
Alles zusammenbauen geht fast von selber, dann noch lasieren - nein, streichen möchte ich das alte Teil nicht. Das gute Stück wird wieder unternehmungslustig! Mir fallen so viel Sachen ein, die wir zusammen unternehmen könnten, auf ein Neues!