Verdauungstrakt

Verdauungstrakt

immer der Reihe nach ...

Pansenpfeiler - Pansenzotten

Rinder sind Wiederkäuer, das hat sich hoffentlich schon herumgesprochen. Fangen wir mit den Teilen des Verdauungstraktes an, die das ermöglichen. Es ist immer die Rede von den vielen Mägen die ein Rind hat, wieviele sind es denn nun? 1 - 2 - 3 - 4 oder gar 5??? Ganz einfach, auch ein Rind hat nur einen(!) Magen, alles andere sind Vormägen in denen der Futterbrei so aufbereitet wird, daß Magen und Darm etwas damit anfangen können. Vormägen heißen sie, weil sie zum einen dem eigentlichen Magen vorgeschaltet sind und zum anderen weil sie sich aus Anteilen der Speiseröhre entwickeln. Immerhin fallen bei Pflanzenfressern enorme Mengen an Zellulose an, das sind Teile der pflanzlichen Zellwände. Leider ist Zellulose nicht so einfach zu knacken, es braucht ganz spezielle Organismen die das können und die fühlen sich im Pansen pudelwohl. Hat zur Folge, daß ein Kalb erst eine funktionierende Pansenflora etablieren muß, wenn es etwas anderes als Milch verdauen möchte.

Merke, ein Kalb kann zwar Erbsmehl (zB. im Milchaustauscher) fressen, kann es aber nicht verdauen. Das funktioniert erst nach etwa 6 Wochen langsam besser.

Pansenzotten

Der Pansen (Rumen) ist der größte der Vormägen, ist zweigeteilt in einen oberen und unteren Pansensack und enthält beim erwachsenen Rind etwa 100l Futterbrei. Das ist von der Größenordnung her eine Badewanne voll, geschichtet in 3 Lagen. Unten der sog. Pansensee, das sind vor allem flüssige Bestandteile, darauf eine Schwimmdecke aus festen Teilchen, ganz oben eine Gasblase. Diese Schichtung läßt sich meist gut in der linken Hungergrube ertasten und anteilsmäßig überprüfen. Ach ja, die Hungergrube heißt deswegen so, weil man hier gut erkennen kann ob das Rind etwas gefressen hat. Hier an dieser Stelle kann man auch der Pansenmotorik zuhören, wenn man das Ohr an den Wiederkäuerbauch legt. Zu erwarten sind beim gesunden Rind 2 ganze Zyklen pro Minute. Der Pansen, das ist im Prinzip die hauseigene Biogasanlage eines Rindes, auch hier wird Wärme produziert (als Abfallprodukt) und Methan freigesetzt. Es handelt sich dabei noch nicht wirklich um Verdauung, es geht erst mal darum alles Gefressene in eine verdauliche Form zu bringen. Trotzdem werden auch hier schon Anteile resorbiert, Fettsäuren zum Beispiel. Weil eine möglichst große Oberfläche dabei von Vorteil ist, bildet die Pansenoberfläche viele Zotten (das sind Schleimhaut - Ausstülpungen). Da die Vormägen beim jungen Kalb sich noch entwickeln müssen kann man das über Futter unterstützen: Heu und Strukturfutter hilft in dem frühen Alter bei der Größenausbildung des Pansens, Kraftfutter bei der Zottenstruktur, der Schleimhautentwicklung. Die zweiteilige Konstruktion hat übrigens noch einen ganz anderen Vorteil: beim ersten Fressen aufgenommener Sand  lagert sich vornehmlich im unteren Pansensack ab und wird beim Wiederkauen nicht mehr mit ins Maul befördert sondern auf natürlichem Weg ausgeschieden. Das schont die Zähne.

Der Netzmagen (Reticulum) ist die nächste Station in den Vormägen. In enger Zusammenarbeit mit dem Pansen sorgt er für eine Sortierung der Futterbestandteile: nur was klein genug ist darf zum Blättermagen passieren, alles andere muß noch mal in den Pansen zurück bzw. mit Hilfe des Schleudermagens (einem kleinen Pansenabteil) wird es nochmals hochgeschickt ins Maul für einen weiteren Kauvorgang. Weiterer Effekt dieses Wiederkauens ist eine vermehrte Speichelproduktion, Speichel dient im Pansen als Puffersubstanz. Der Netzmagen zieht sich bei dieser Arbeit etwa 2 mal pro Minute heftig zusammen (ist dann nur halb so groß) und leitet die Pansenmotorik ein. Nachteil dieser Konstruktion: feste Fremdkörper können bei dieser Aktion den Netzmagen verletzen oder gar in andere Organe (Lunge/Herz/Leber) durchstoßen.

Blättermagen mit feinsten Zotten und kleinfaserigem, relativ trockenen Inhalt

Sind die Partikel im Futterbrei klein genug gelangen sie in den Blättermagen (Psalter). Die Schleimhaut ist hier in Blatt-ähnliche Strukturen gefaltet mit vielen kleinen Zotten. Jetzt wird durch Druck das Wasser von den festen Nahrungs-Bestandteilen getrennt, so ähnlich wie in einer Zitronenpresse. Das Wasser wird zum Teil resorbiert, der Rest des nun eingedickten Nahrungsbreies wird an den Labmagen (Abomasum) weitergeschickt. Dieser - der eigentliche Magen - funktioniert prinzipiell wie unserer, mittels Salzsäure die ins Innere abgegeben wird senkt sich der pH-Wert und Enzyme sorgen für die Verdauung von Eiweisen und Fetten. Im Anschluß geht es weiter in den Dünndarm.

Wenn er vom Ochsen ist, nennt man's dann auch Kuhfladen?

Ganz am Ende steht, oder besser liegt, der Kuhfladen. Erstaunlich zu was der alles nützt!

Abgesehen von vielen Insekten, die sich darin und daran ergötzen haben sich unsere Altvorderen schon mal im Winter bei bissiger Kälte die Füße darin gewärmt. Aber auch als Bau- und Brennstoff findet er Verwendung. Je nach geplanter Nutzung mit Stroh, Lehm, Wasser, ... gemischt ergeben sich Bau-Materialien die in manchem Ländern der Erde immer noch Verwendung finden und heiß begehrt sind. In Nepal bauen sich die Kinder "Schlitten" daraus, diese sehen wie gebrannte Tonziegel aus, klingen auch beim Rutschen über Schnee und Eis so, zerspringen aber nicht. Für Brennstoff werden die Fladen gesammelt und getrocknet, das geht im Sommer sehr schnell. Auf den Halligen gab es die sog. Ditten (viereckige Platten aus Dung) noch bis in die 60er Jahre zum Heizen. Ich nutze sie als Dünger, packe immer beim Umtopfen ein Stück mit unter die Erde. Im Gegensatz zu Pferdemist gilt Kuhmist nicht als "heiß"; das bedeutet, er kann auch unabgelagert zur Düngung verwendet werden. Der Misthaufen war das Gold des Bauern. Von der Größe des Misthaufens wurde auf den Reichtum des Hofes geschlossen. Die immer noch im Fladen vorhandene Energie würde in einer Biogasanlage 0,1 Kilowattstunden Strom erzeugen.

Eins ist der Kuhfladen sicher nicht: Abfall oder "Igitt"!