Hannes
Da bin ich nun, total nass in der Ecke vom Futtergang, es ist eiskalt und ich zittere so vor mich hin. Es ist der 23. Dezember 2024 und letzte Woche noch hat meine Ma, die Hedda, fleißig mitgerauft als der Ulli auf den Bill losgegangen ist. Dicker Bauch hin oder her, sie war mitten drin im Getümmel - und ich notgedrungen auch. Immerhin hat mich grad die Chefkuh gefunden und ribbelt mich nun trocken. Außerdem hängt sie meine Ma am Halsriemen an und gibt mir eine Chance an der Milchbar.
So ist das schon viel besser, jetzt bin ich satt und kann in der Ecke im tiefen Stroh liegen. Meine Ma lutscht mir gerade das letzte Fruchtwasser aus dem Fell und überlegt ob sie sich mit zu mir legt. Die Oma hat auch schon nach mir geschaut. Dann springt da noch ein vorlautes Gör herum, die mich mit den Hörnern tratzen wollte. Meine Ma ist sofort dazwischen gegangen und hat die Hanami in ihre Schranken verwiesen.
Wie Ihr seht bin ich kohlrabenschwarz, wie alle hier mit Wagyu-Blut in den Adern. Die weichen Haare hab ich von der Mama geerbt, deren weißen Stups auf der Nase aber nicht. Das wird jetzt dann schwierig für die Chefkuh uns auseinander zu halten, denn meine beiden Brüder sind ja auch noch da...
Also bei den Temperaturen geht nix über eine warme Mahlzeit! Herrlich wenn meine Ma dann auch noch stehen bleibt und mir die Sache erleichtert. Am Anfang hab ich Depp immer vorn gesucht, aber inzwischen hab ich gelernt daß das die falsche Richtung ist. Der Strick um den Bauch der Hedda liegt relativ locker, aber ein Schlagbügel passt gar ned zu ihrem dicken Umfang. Egal ob meine Ma trächtig ist oder nicht, der Bauch ist immer kugelrund. Ihr Kreuz ist breit wie ein Sofa, sagt die Chefkuh. Was ist eigentlich ein Sofa? Wer genau hinsieht kann das Vergrittungsgeschirr an den Hinterbeinen im Stroh erkennen. Ihr erstes Kalb hat meine Ma bis an die Wand getreten, also ist die Chefkuh jetzt vorsichtig. Aber die Hedda inzwischen auch. Den Strick brauchen wir schon am 3. Tag nicht mehr und das Vergrittungsgeschirr kommt am 10. Tag runter. Hurrah, es klappt auch ohne!
Mittlerweile hab ich raus, daß es spannend wird wenn es am Futtergang rappelt. Die Großen drängen und schieben dann hin und her, jeder will das Beste und davon das Meiste. Ich geh von meinem Liegeplatz zum Türl von unserer Box, da krieg ich Streicheleinheiten und kann an der Hose von der Chefkuh nuckeln. Sie kratzt mich ganz unten am Brustbein, das tut tierisch gut, weil ich da selber nicht hinkomme. Ab und zu ruft meine Ma nach mir, aber wenn die Chefkuh antwortet reicht ihr das. Alles ok und sie kann weiter fressen. Wo sonst käme auch der dicke Bauch her? Jetzt wo ich eine gute Woche alt bin und neugierig schon probiert hab, was die Erwachsenen so fressen, muß ich doch feststellen, daß das Grassilo nicht nur weicher zum Kauen ist sondern auch besser schmeckt. Ich lerne jeden Tag was Neues!
Heute hab ich nix gelernt. Dafür hab ich tief und fest geschlafen. Meine Ma ist aber da und passt auf mich auf. Ein bißchen wundern tut sie sich schon, daß sie mich nicht wach kriegt. Die gelben Ohrmarken, die ja meilenweit auch in dunkler Nacht zu erkennen sind, hab ich neulich schon gekriegt - natürlich wieder falsch rum. Die Chefkuh meint, einen Transponder hätt ich jetzt auch und den meldet sie gleich an. Dann wüßte jeder wo ich hingehöre. So ein Quatsch, meine Ma und die anderen hier kennen mich doch, das reicht. Noch was: weil sie mich endlich in aller Ruhe anschauen konnte, hat sie entdeckt, daß ich doch ein paar weiße Haare habe. Die sind vereinzelt um den Widerrist herum verteilt. Vielleicht werden das noch mehr wenn ich älter bin, heißt ja wenn man alt wird kriegt man graue Haare.