Plastik!

Rätselhaftes Rindersterben

plastikmüll

Früher hat John Wayne ein paar Rinderdiebe verfolgt, sich mit bösen Jungs angelegt, Kälber mit seinem Brand versehen und seine Rinderherde auf den Markt getrieben. In Dodge City haben schon die Käufer auf ihn gewartet, Bargeld in der Hand und der Handel wurde sofort per Handschlag zum Abschluß gebracht. John Wayne hatte keine juristischen Probleme, zahlte kein Schulgeld, keine Steuern, brauchte keine HIT-Liste und wußte vermutlich nicht mal ob gerade Wahljahr war oder nicht; es hätte ihn mit Sicherheit auch nicht gekümmert.

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Heutzutage muß ein Rinderbesitzer Computer-Nerd und Tierpsychologe sein, Eheberater, Arbeitsvermittler, Tierarzt und sich immer noch mit einer Menge böser Jungs herumschlagen. In den Nutztier-Magazinen finden sich inzwischen haufenweise Artikel über Rinderkrankheiten deren Namen die meisten Leser nicht einmal richtig aussprechen können, und das, obwohl in Wirklichkeit noch nie so wenig Seuchen unterwegs waren wie aktuell. Es werden beängstigende Veröffentlichungen geschrieben über die Maul- und Klauenseuche, wie sie einen ganzen Bestand innerhalb von 48 Stunden finanziell ruiniert, mit Bildern von brennenden Rinderbergen und Bulldozern die alles zusammenschieben. Die andere Seite der Medaille bleibt unerwähnt: seit Jahrzehnten ist Deutschland MKS frei, es gibt einen Impfstoff dagegen und Rinder die am Feldvirus erkranken überleben bei guter Pflege; selbst das Fleisch bleibt uneingeschränkt tauglich für den Genuß.

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Das Fressen von Plastikteilen hingegen ist ohne Frage heute der Killer Nummer 1 unter den Rindern mit kaum einer Möglichkeit zur Therapie. Es gibt keine Schutzimpfung, keine Presse-Veröffentlichung des Landwirtschaft-Ministeriums zu den tausenden von toten Rindern jedes Jahr. Es ist ein leises, schmerzhaftes Sterben unserer Rinder mit unterschiedlichen Symptomen, die ehr verwirren als Hinweise geben.

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Hoss Cartwright mußte sich keine Gedanken um Plastik machen. Die Weiden waren sauber und neben der Ponderosa wurde kein neuer Industriepark gebaut. Im Gegensatz dazu leben die meisten Leute heute in unmittelbarer Nähe zu einem unverschlossenen Müllcontainer, dem Bauhof, einer Müllhalde oder stellen gerade ihren eigenen gelben Sack vor die Tür. Dann fehlt nur noch ein bißchen Wind und schon driften die diversen Plastikteile über Felder, Wiesen und Weiden, wo unsere Rinder grasen. Von Brottüten die am Zaun hängen bleiben über Einkaufstüten, Rundballennetze, Silofolien, Wetterballons, Luftballons von der letzten Party, Getränkebecher von Fastfood Restaurants noch mit Strohhalm drin, Tränkenippel, Palettenschrumpffolie bis zu Heuballen-Bindegarn, welches manche Leute einfach auf den Boden werfen. Erst mal im Tier ist jedes einzelne Teil davon eine potentiell tödliche Gefahr. Wenn sich im Pansen ein paar Bindegarne um eine Einkaufstüte wickeln ist der perfekte, absolut letale Kuh-Stopfen fertig.

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Plastik schmeckt unterschiedlich, manches ist süß, anderes salzig. Rinder sind wie kleine Kinder und fressen Sachen in sich hinein die keinen Sinn machen. Sie sind neugierig und haben Zeit. Manche in geschlossenen Systemen gehaltene Rinder sind mit Mineralien unterversorgt und auf der Jagd nach anderen Geschmackserlebnissen. Den ganzen lieben langen Tag sind sie unterwegs und suchen nach etwas Neuem zu Fressen oder einem nicht ordnungsgemäß verschlossenen Tor. Bei der Sektion finden sich dann so Gegenstände wie Levi's Jeans, Kopfkissen-Daunen, Golfbälle, etc.

Durchfall ist ein Symptom das wohl die Hälfte aller Rinderkrankheiten begleitet. Dutzende Probleme im Rind manifestieren sich nach außen durch nichts weiter als Durchfall.

Kleine Plastikteile können völlig unproblematisch den Verdauungskanal passieren, unbemerkt vom Rind und dessen Besitzer. Größere Plastikteile können ganze Meter der Eingeweide verstopfen und zu einem schnellen Ende führen. Manche Rinder hören das Fressen auf, andere wieder nicht. Bei einigen kommt die gesamte Magen-Darm-Peristaltik zum erliegen, andere wiederum reagieren mit heftigem, wässrigem Durchfall. Normalerweise sind die Symptome nicht eindeutig genug um über eine chirurgische Lösung nachzudenken. Häufig sind die Kosten der Op, die Unbestimmtheit der Diagnose, der zweifelhafte Erfolg und der Wert des Tieres ein Grund abzuwarten, nichts zu tun.

Der Durchfall führt leicht auf eine falsche Fährte. Es scheint, als ob der Körper versucht das Problem mit Wasser zu verdünnen und auszuspülen. Meistens ist der Grund ein anderer: irgendwo im Verdauungstrakt verstopft ein Plastikteil den Darm und nur noch Flüssigkeit kann passieren. Die Feststoffe stauen sich davor an, vergären, blähen und verstärken die Verstopfung. Die meisten Rinder sterben nach einer Woche, egal wie wertvoll sie sind. Die meisten Rinderhalter erfahren die Wahrheit nie. Manche machen einen Fremdkörper dafür verantwortlich, eine zufällig annähernd richtige Vermutung. Andere diagnostizieren das Plastik als Paratuberkulose, BVD, Blauzunge, Salmonellen, Kokkzidiose, E.coli, Leberegel und andere Endoparasiten.

Es wäre schön, gäbe es eine Impfung oder eine eindeutige Möglichkeit zur Identifizierung des Plastik-Problems. Das sind Wunschträume...  Keine Subvention garantiert entsprechende Forschungen und kein Zuschuß der Tierseuchenkasse deckt die diesbezüglichen Verluste des Rinderhalters. Wenn also ein Rind ein Stück Plastik frißt führt das über kurz oder lang zu einem substantiellen Problem und der Verlust des Tieres bleibt häufig unaufgeklärt.

Aber man kann Vorsorge betreiben, ja es gibt Leute die regelmäßig die Weiden abgehen und mit einem Stock die Plastikteile aufspießen und einsammeln; mühsam! Aber wer weiß schon, welches Stück Plastik für den Tod der teuren Zuchtkuh verantwortlich sein wird? Wer in der Windrichtung eines offenen Müllcontainers lebt, kann ein Lied davon singen. Also auf zum Betreiber und ernsthaft klarmachen, daß man ein großes Interesse daran hat, daß der Deckel zu bleibt. Oder wenigstens dafür Sorge tragen, daß die eigenen gelben Säcke windstabil und dicht verschlossen gelagert werden. Oder dafür, daß der Fastfood-Rest im Eimer und nicht am Straßenrand landet...

Es geht immerhin um Leben oder Tod unserer Rinder!

Das Fressen von Plastik ist keine wirkliche Erkrankung und manche meinen es ist nicht einmal der Rede wert, aber ob es nun bekannt ist oder nicht, jeder der Rinder hat, hat unter Garantie schon welche am Plastik verloren, oder wird es in Zukunft...

(frei übersetzt nach einem Artikel von Darol Dickinson)

 

7 Monate alte Simmental-Kalbin, tot durch Plastikfolie (15cm Durchmesser, 1,22m lang); copyright Larry Horstman DVM MS Diplomate ACT, Professor Emeritus, Purdue University
7 Monate alte Simmental-Kalbin, tot durch Plastikfolie (15cm Durchmesser, 1,22m lang); copyright Larry Horstman DVM MS Diplomate ACT, Professor Emeritus, Purdue University

Plastik in Kuhmägen

ein Film (externer Verweis) aus der quer - mediathek (2018)